Nov 11, 2022

Schwierige Patient:innen: so kommunizieren Sie richtig

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Wie Sie angemessen mit schwierigen Patient:innen interagieren.

Im Praxisalltag begegnen Ärztinnen und Ärzte immer wieder Patient:innen, die sie als schwierig wahrnehmen. Einer amerikanischen Studie von Hinchey und Jackson zufolge werden nahezu 18 Prozent aller Patient:innen von Ärztinnen und Ärzten als schwierig eingestuft.

Damit der Umgang mit schwierigen Patient:innen nicht zur Belastung für das gesamte Praxisteam wird, ist ein spezielles Vorgehen erforderlich. Was unter schwieriegen Patient:innen zu verstehen ist und wie Ihre Kommunikation erfolgreich gelingt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wann spricht man von schwierigen Patient:innen? 

Patient:innen werden als schwierig eingestuft, wenn diese bei Arzt bzw. Ärztin oder dem Praxisteam negative Gefühle wie Ärger und Frust, aber auch Hilflosigkeit oder Überforderung auslösen.

Oftmals sind dies Menschen, die viel Zeit, viele Untersuchungen oder eine Krankschreibung ohne Grund in Anspruch nehmen möchten oder sogar aggressiv auftreten. Professionelle Kommunikationsberater:innen kennen v.a. drei Typen problematischer Patient:innen:

  • Ausschweifende, theatralische Patient:innen:
Dieser Problemtyp schildert seine Krankengeschichte und Beschwerden oft sehr ausführlich und in übertriebener, theatralischer Weise. Häufig wünschen sich diese Patient:innen besondere Anerkennung.

Im Kontakt mit dieser Gruppe ist es daher hilfreich, wertschätzende und anerkennende Worte zu finden und das Gespräch durch konkrete Fragen zum eigentlichen Ziel zu führen.
  • Anspruchsvolle, rechthaberische und misstrauische Patient:innen:

Diese Patientengruppe erwartet meist Negatives von ihrem Gegenüber und möchte im Gespräch die Kontrolle behalten. Daher sollte dieser Art von Patient:in Eigenverantwortung zugestanden und das Gefühl vermittelt werden, dass sie die Situation kontrollieren können.

Sollten Zweifel an der Kompetenz der Ärztin oder des Arztes geäußert werden, hilft es, den eigenen Werdegangs darzustellen.

  • Unsichere und unterwürfige Patient:innen:

Patient:innen dieser Art widersprechen dem Arzt und Behandlungsvorschlägen selten und wollen wenig über ihr Krankheitsbild wissen. Sie erscheinen im ersten Moment daher oft pflegeleicht.

Dieses Verhalten kann jedoch problematisch sein für die Behandlung, da Medikamente möglicherweise nicht eingenommen oder ärztliche Empfehlungen nicht eingehalten werden.

Ein Grund dafür kann sein, dass der Arzt nicht verstanden wurde und die Patient:innen sich nicht trauen, erneut zu fragen. Hilfreich im Umgang mit dieser Patientengruppe ist es, die Behandlung genau zu erläutern und die Relevanz der Eigenverantwortung zu verdeutlichen.

Darüber hinaus werden oftmals auch Patient:innen mit einer Demenzerkrankung und psychischen Erkrankungen, Schmerzpatient:innen oder Patient:innen mit schweren Krankheiten oder Sprachbarrieren als schwierig wahrgenommen.

Wie entstehen Situationen, in denen Patient:innen als schwierig erlebt werden?  

Auch wenn der Umgang mit schwierigen Patient:innen herausfordernd sein kann, sollten sich Ärztinnen und Ärzte in Problemsituationen ins Gedächtnis rufen, dass deren Verhalten zumeist erklärbare Gründe hat. Die wenigsten Patient:innen verursachen Konflikte mit Absicht.

Gründe für schwieriges Verhalten können beispielsweise schlechte Erfahrungen bei anderen Ärzten bzw. Ärztinnen sein oder akute Beschwerden. Besonders bei schweren oder chronischen Krankheiten sollte dies nicht unterschätzt werden.

Auch ein falsch gebuchter oder kurzfristig verschobener Termin, verzögerte Labortests oder die allgemeine Lebens- und Arbeitssituation können Auslöser für schwieriges Verhalten sein. Gepaart mit Stress und hohem Zeitdruck in der Arztpraxis entstehen so oft unangenehme Situationen.

Es ist daher hilfreich, die Gründe für das Patientenverhalten zu verstehen - so können Sie adäquat reagieren und eine Lösung finden.

Wichtige Tipps für den Umgang mit schwierigen Patient:innen

Im Umgang mit schwierigen Patient:innen sollte besonderes Augenmerk auf die richtige Kommunikation gelegt werden. Dabei zahlt es sich sowohl für Sie als Arzt bzw. Ärztin als auch für den Behandlungserfolg ihrer Patient:innen aus, Emotionen von medizinischen Anliegen zu trennen.  

In bestimmten Situationen kann es auch sinnvoll sein, den Umgang miteinander konkret zu thematisieren und Patient:innen zu einem konstruktiven Gespräch zu ermutigen.

Besonders bei schwierigen Patient:innen, die regelmäßig in die Praxis kommen, hilft eine gute Vorbereitung, um im Gespräch souverän zu bleiben und etwaigem Fehlverhalten vorzubeugen.

Ärztinnen und Ärzte müssen jedoch nicht jedes Verhalten tolerieren. Im Umgang mit schwierigen Patient:innen ist es daher ebenfalls wichtig, Grenzen aufzuzeigen und das Gegenüber an die geltenden Regeln in der Praxis zu erinnern.

Konflikte frühzeitig deeskalieren: das CALM Modell

Wenn bisherige Maßnahmen zur Deeskalation nicht erfolgreich waren oder Sie sich insbesondere aggressiven Patient:innen gegenüber sehen kann das Vorgehen nach dem CALM-Modell helfen.

Dieses wurde speziell für die ärztliche Kommunikation entwickelt und stellt ein Stufenmodell dar:

  • Contact:
Lassen Sie Aggressionen wie eine Welle auslaufen, versuchen Sie die Schwierigkeiten des Patienten zu erkennen und erklären Sie mögliche Fehler.
  • Appoint:
Benennen Sie die gezeigten Emotionen, selbst wenn dies zu einem neuen Gefühlsausbruch führen kann, z.B: „Ich sehe, Sie sind verärgert.“
  • Look ahead:
Greifen Sie die Sorgen oder Ängste Ihre Gegenübers auf und konzentrieren Sie sich auf dessen Selbstoffenbarung. Beispiel: „Ich merke, sie sind besorgt und haben Angst, wie es weitergeht.“
  • Make a decision:
Klären Sie gemeinsam, wie es weitergehen soll und unterbreiten Sie ein Angebot. Stellen Sie jedoch auch die Spielregeln klar und ziehen Sie Grenzen. In manchen Situationen kann es Sinn machen, das Gespräch zu unterbrechen und an anderer Stelle weiter zu führen.

Die einzelnen Stufen des Modells müssen dabei nicht alle durchlaufen werden, zur nächsten Stufe wird nur gewechselt, wenn dies nötig ist. Gegebenenfalls kann auch auf einer höheren Stufe eingestiegen werden.

So beugen Sie schwierigen Situationen vor

Viele der Gründe, warum Patient:innen gereizt oder unzufrieden sind, können Sie als Arzt oder Ärztin nicht beeinflussen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, Konflikten aktiv vorzubeugen.

Häufige Frustrationsfaktoren sind beispielsweise kurzfristige Terminänderungen und lange Wartezeiten in der Praxis. Kommt es beispielsweise aufgrund eines Krankheitsfalls zur Terminänderung, sollten Patient:innen unverzüglich informiert werden.

Schnell und nachhaltig gelingt das v.a. über eine Software zur Online-Terminvergabe. Weite Anfahrtswege und lange Wartezeiten lassen sich dagegen reduzieren, indem Sie für bestimmte Leistungen (z.B. zur Krankschreibung, OP-Beratung, Befundbesprechung, Nachsorge usw.) eine Videosprechstunde anbieten.

Auch während der Behandlung lässt sich Konfliktsituationen vorbeugen. Dazu trägt v.a. eine einfache und klare Ansprache bei, in der auf Fachausdrücke möglichst verzichtet wird.

Auch empfiehlt es sich, aktiv nachzufragen und wichtige Informationen am Ende des Gesprächs noch einmal für Ihre Patient:innen zusammenzufassen.

Damit stellen Sie sicher, dass beide Seiten über den gleichen Kenntnisstand verfügen, was etwaigen Konflikten bei Folgeterminen oder der Rezeptausstellung vorbeugt.

Mit richtiger Kommunikation den Umgang mit schwierigen Patient:innen meistern 

Schwierige Situationen sind im ärztlichen Alltag unvermeidlich. Doch gerade diese Herausforderungen bergen auch das größte Potenzial für persönliches Wachstum.

Der Umgang mit schwierigen Patient:innen stattet Mediziner:innen mit wichtigen Kommunikationsfähigkeiten aus, um  alle Patient:innen zum Behandlungserfolg zu führen. 

Entdecken Sie weitere Praxistipps für die Kommunikation mit Ihren Patient:innen in unseren Beiträgen  zu einer erfolgreichen Arzt-Patienten-Beziehung und LGBTQ+ sensiblen Kommunikation.