Juni 18, 2024

"Da lohnt sich bereits eine eingesparte Arbeitsstunde"

Felix-Signatur

Mit Unternehmensgründer, KI-Experten und Mittelstandsberater Felix Schlenther haben wir über die Kosten, den Nutzen und die richtige Anwendung Künstlicher Intelligenz in der Arztpraxis gesprochen.

jameda: Niedergelassene Ärzte haben sich häufig wenig Gedanken zu Künstlicher Intelligenz in der Praxis gemacht. Worin sehen Sie das größte Potenzial vom Einsatz in der ambulanten Versorgung?

Felix Schlenther: Der Blick in die Geschichte zeigt, dass viele Innovationen zunächst von Desinteresse oder Ablehnung begleitet wurden. Aber natürlich ist die Frage zum Nutzen von KI berechtigt. Stand heute liegt dieser vor allem in der Beschleunigung und Verschlankung administrativer Aufgaben. Das betrifft die Terminorganisation, die Patientenaufnahme oder das Rechnungswesen, aber auch die Kommunikation mit Patienten. 

jameda: Können Sie konkrete Beispiele nennen?

Felix Schlenther: Schon heute gibt es zum Beispiel Chatbots, die die Anamnese von Patienten vor dem eigentlichen Arztbesuch aufnehmen. Ein weiteres Beispiel ist die KI-gestützte Automatisierung von Anrufen, was die Praxismitarbeiter in der Terminplanung und Patienten-Zuteilung nach Symptomen oder Versicherung erleichtert.  

Weitere Beispiele sind natürlich Tools wie ChatGPT oder Microsoft Copilot, die nicht zuletzt im Marketing unterstützen - ein Bereich, in dem Praxen häufig auf kostspielige Agenturen angewiesen sind. Hier lohnt sich die Frage, ob ich externe Leistungen wie z.B. die Erstellung von Websites oder Text mittels KI einfach selbst übernehmen kann.

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jameda: Das klingt vielversprechend. Für 49% der Ärzte sind heute aber die fehlenden Schnittstellen zwischen ihren digitalen Anwendungen ein Hindernis.* Wie lässt sich KI in bestehende Systeme integrieren, ohne zusätzlichen Aufwand zu erzeugen? 

Felix Schlenther: Das ist eine wichtige Frage, denn in vielen Praxen haben wir es mit einem Flickenteppich aus Praxisverwaltungssystemen, Online-Kalendern und staatlichen Tools zu tun. KI ist per se keine isolierte Anwendung. Zur Integration in bestehende Prozesse sehe ich hier aber die großen PVS- und SaaS-Anbieter in der Verantwortung. 

Im Kleinen können Praxen auch selbst abwägen: Gibt es Fälle, in denen die Nutzung von KI Sinn ergibt? Arbeite ich beispielsweise mit der Office-Suite von Microsoft? Möchte ich meine Terminplanung zeitsparend verbessern? Dann könnte die Entwicklung eines maßgeschneiderten KI-Tools unter Umständen ein Wettbewerbsvorteil sein. 

jameda: Angenommen, ich bin niedergelassene Ärztin bzw. Arzt und möchte meine Mitarbeiter im Umgang mit KI schulen: wie würden Sie vorgehen?

Felix Schlenther: Zunächst geht es darum, Grundlagen zu vermitteln. Wir haben eingangs darüber gesprochen, dass hier noch Unwissenheit oder Zweifel zu beseitigen sind: Was ist Künstliche Intelligenz? Zu welchem Zweck ist ihre Nutzung im Alltag sinnvoll? Das sollte mit den Mitarbeitern besprochen werden, bevor es zu konkreten Anwendungsfragen kommt, wie z.B. den richtigen Prompts. 
Wichtig ist dabei auch die Wiederholung. Ein einmaliges Training genügt nicht, um die Nutzung von KI zu etablieren. Ratsam sind wiederkehrende Übungsformate oder Meetings, in denen Mitarbeiter Erfahrungen und Verbesserungspotenziale teilen können. 

Zumeist bieten Kassenärztliche Vereinigungen heute Fortbildungen zum Thema KI an, andernfalls empfiehlt sich die Hinzuziehung externer Experten.

jameda: Welche Kosten kommen auf Arztpraxen zu, die KI-Lösungen nutzen wollen?

Felix Schlenther: Pauschal ist das schwierig zu beantworten. Ich würde den etwaigen Kosten für KI-Tools immer das Einsparpotenzial im konkreten Anwendungsfall gegenüberstellen. Die Kosten für gängige Tools wie Microsoft Copilot oder ChatGPT liegen zwischen 20 und 25 Euro im Monat. Da könnte sich bereits die ein- oder andere eingesparte Arbeitsstunde lohnen. 

jameda: Vor dem Hintergrund von 350.000 unbesetzten Stellen** in Gesundheit und Pflege: Glauben Sie, dass KI medizinische Fachkräfte zukünftig ersetzen kann?

Felix Schlenther: Das glaube ich nicht. Ich würde eher fragen: Wovon lebt unser Gesundheitswesen? Und die Antwort ist einfach: von persönlicher Fürsorge und gegenseitiger Wertschätzung. KI sollte das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht einfach technischer machen. Sie sollte zuerst bei allen Aufgaben entlasten, aus denen sich Fachkräfte nicht für einen Beruf im Gesundheitswesen entscheiden: repetitiven und zeitintensiven bürokratischen Prozessen.

jameda: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schlenther.

Felix Schlenther: Gerne, mit Vergnügen.

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