Die digitale Patientenakte wird verbindlich: Alles, was Sie wissen sollten
Was Sie rund um die neue Gesetzgebung zur digitalen Patientenakte wissen sollten.
Mit Hilfe der digitalen Patientenakte sollen Ärzt:innen und andere Leistungserbringer:innen es künftig leichter haben, ihre Patient:innen zu behandeln.
Sie soll dabei helfen, Bürokratie abzubauen und Behandlungen effizienter zu gestalten. Wir haben alle wichtigen Informationen für Sie zusammengestellt und geben Ihnen nützliche Tipps, wie Sie am effektivsten mit der digitalen Patientenakte arbeiten.
Was ist die digitale Patientenakte?
Die digitale bzw. elektronische Patiententakte (kurz: ePA) gibt es seit Anfang 2021. Gesetzlich Krankenversicherte können sich seither freiwillig für eine solche digitale Akte registrieren. Ab 2024 soll die ePA verpflichtend für alle gesetzlich Versicherten werden.
In der digitalen Patientenakte werden sämtliche Gesundheitsdaten der jeweiligen Versicherten zentral gespeichert. Diese Daten sind für Ärzt:innen einsehbar.
So soll die Behandlung verbessert und Bürokratie abgebaut werden. Daten, die in der ePA gespeichert werden können, sind beispielsweise:
- Befunde und Diagnosen
- Röntgenbilder
- Arztbriefe
- Allergien
- Impfungen
- Blutwerte
- Zahn-Bonusheft
- Mutterpass
- Kinder-Untersuchungsheft
- Notfalldaten
- Medikationspläne
- Therapien
- Ausgestellte Rezepte
- Logbücher z.B. zum regelmäßigen Erfassen von Blutzucker- oder Blutdruckmessungen
Wie funktioniert die digitale Patientenakte?
Auf Seite der Patient:innen
Derzeit kann die ePA von gesetzlich Versicherten freiwillig eingerichtet werden (sog. Opt-in-Verfahren). Dazu muss ein Registrierungsprozess bei der jeweiligen Krankenkasse durchlaufen werden – ein Grund, warum die ePA zurzeit nur von weniger als einem Prozent aller gesetzlich Versicherten genutzt wird.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte das bis Ende 2024 ändern:
Die ePA soll dann nicht wie bisher freiwillig eingerichtet werden können, sondern wird für alle gesetzlich Versicherten automatisch von der Krankenkasse angelegt.
Wer keine digitale Patientenakte nutzen möchte, muss dem dann aktiv widersprechen (Opt-out, anstelle von Opt-in).
Auf Seite der Praxen
Seit Ende 2021 müssen sämtliche Praxen, die vertragsärztliche Leistungen erbringen, mit dem erforderlichen System – der sog. Telematik-Infrastruktur (TI) – für die ePA ausgestattet sein. Dann kann auf Wunsch der Patient:innen die ePA ausgefüllt werden.
Die elektronische Patientenakte kann nur dann ausgefüllt werden, wenn Patient:innen dem/der behandelnden Ärzt:in die Erlaubnis dazu erteilen.
Außerdem dürfen Patient:innen darüber bestimmen, welche Daten in der Akte vermerkt oder wieder aus dieser gelöscht werden.
Wer hat in welcher Form Zugriff auf die ePA?
Es ist gesetzlich streng geregelt, wer Zugriff auf die sensiblen Daten in einer elektronischen Patientenakte erhält. In einem ersten Schritt müssen Patient:innen per Eingabe einer PIN entweder in der ePA-App oder per Gesundheitskarte an einem Terminal in der Praxis den Zugriff auf ihre Akte bestätigen.
Dort können sie auch festlegen, ob nur Schreibrechte oder auch Leserechte in ihrer Akte erteilt werden sollen. Zusätzlich benötigen sämtliche Leistungserbringer:innen einen Heilberufsausweis und müssen sich ebenfalls per Eingabe einer PIN gegenüber dem ePA-System identifizieren.
Ärzt:innen, Apotheker:innen und Therapeut:innen haben erst nach Durchlaufen dieses Freigabeprozesses Zugang zur ePA.
Die Dauer des Zugriffs kann von den Patient:innen ebenfalls festgelegt werden: nur für eine Behandlung oder Sitzung, oder für einen längeren Zeitraum (z.B. in der Hausarztpraxis).
Welche Vorteile hat die digitale Patientenakte für Ärzt:innen?
Wie wir bereits in einem unserer früheren Blogbeiträge erwähnt haben, ergeben sich sowohl für Ärzt:innen als auch Patient:innen viele Vorteile durch die Nutzung der ePA:
- Doppelte Untersuchungen werden vermieden, da Befunde und Vorerkrankungen in der Patientenakte zentral abgelegt sind und Ärzt:innen Zugriff darauf haben.
- Diagnosen können schneller gestellt werden, da aufgrund der bereits gestellten Befunde und Behandlungen von anderen Ärzt:innen ein genaueres Bild über den Gesundheitszustand der jeweiligen Patient:innen vorliegt.
- An einer Behandlung beteiligte Ärzt:innen und Krankenhäuser können für mehr Transparenz und einen effizienteren Behandlungsprozess untereinander Daten austauschen.
- Behandlungs- und Medikationspläne sind sicherer, da das Risiko für Wechselwirkungen mit anderen eingenommenen Medikamenten aufgrund der bereits hinterlegten Daten reduziert wird.
- Bürokratie wird abgebaut, da Befunde beispielsweise nicht mehr per Fax verschickt werden müssen, sondern alles digital in der Patientenakte abgelegt wird.
- Ausstellen von elektronischen Rezepten vermeidet Papierberge, da die Rezepte von den Patient:innen per App eingelöst werden können.
- Anonymisierte Patientendaten können zu Forschungszwecken ausgetauscht werden, um die medizinische und pharmazeutische Forschung in Deutschland voranzutreiben.
Datenschutz: Ist die digitale Patientenakte sicher?
Sichere Kommunikation
Da es sich bei Gesundheitsdaten um sehr sensible Informationen handelt, müssen diese so geschützt werden, dass keine Unbefugten Zugriff auf oder Einsicht in die Daten erhalten.
Die Kommunikation zwischen Patient:in und ePA-App bzw. zwischen Leistungserbringer:in und ePA-System erfolgt per Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
Das bedeutet, dass jederzeit ein sicherer Kommunikationskanal zur Verfügung steht, auf welchen Dritte keinen Zugriff haben und die Daten verschlüsselt übertragen werden.
Die Patientendaten selbst werden zentral auf Servern gespeichert. Diese stehen in Deutschland und müssen deshalb die strengen europäischen Datenschutzrichtlinien erfüllen.
Bedenken bei der Datennutzung und dezentralen Speicherung
Es gibt jedoch auch kritische Stimmen zum Thema Datenschutz. So bemängelt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, dass mit Einführen der ePA eine digitale Zweiklassengesellschaft geschaffen werde:
Auf der einen Seite seien die Patient:innen mit mobilen Endgeräten, die sämtliche Vorteile der ePA genießen könnten. Auf der anderen Seite befänden sich jedoch Patient:innen ohne die nötigen mobilen Endgeräte.
Diese könnten den Zugriff auf ihre ePA nur in den Arztpraxen an Terminals einstellen und ihre eigenen Daten daher nicht jederzeit einsehen.
Die Freie Ärzteschaft sieht zudem in der ePA die ärztliche Schweigepflicht ausgehöhlt, da die Patientendaten nicht mehr ausschließlich dezentral in der Praxis verwahrt, sondern zusätzlich zentral auf einem Server gespeichert werden.
Die mögliche Nutzung der Patientendaten zu Forschungszwecken – wenn auch in anonymisierter Form – sieht sie ebenfalls kritisch, da letztendlich die Patient:innen nicht genau wüssten, in welchen Studien und zu welchen Zwecken ihre Daten genutzt würden.
Was ändert sich mit der verpflichtenden Einführung der ePA 2024 für die Arztpraxen?
Seit Juli 2021 ist es Pflicht für Arztpraxen, die für die ePA notwendige Telematik-Infrastruktur (TI) zu haben. Ist dies nicht der Fall, kann das Honorar um bis zu 2,5 % gekürzt werden.
Aus diesem Grund haben mittlerweile die meisten Arztpraxen in Deutschland, in denen kassenärztliche Leistungen erbracht werden, die TI eingeführt. So ist das Befüllen von digitalen Patientenakten bereits heute möglich.
Da bisher nur wenige Versicherte die ePA nutzen, haben viele Ärzt:innen jedoch erst wenige Berührungspunkte mit der digitalen Datenerfassung.
Werden ab 2024 für alle Versicherten solche Akten angelegt und widersprechen diese nicht gegen ihre Nutzung, müssen Ärzt:innen die ePA ausfüllen.
Voraussetzung dafür bleibt jedoch weiterhin, dass Ihre Patient:innen Ihnen den Lese- und Schreibzugriff auf ihre Akten gewähren. Erfolgt die Freigabe nicht, speichern Sie die Daten wie gehabt dezentral in Ihrer Praxissoftware.
Tipps für eine reibungslose Nutzung der digitalen Patientenakte
ePA muss nicht vollständig sein
Wenn Ihre Patient:innen Ihnen Zugriff auf die digitale Patiententakte gewähren, haben Sie Einblick in die relevante Krankengeschichte, die Medikationspläne und frühere Diagnosen.
Beachten Sie dabei jedoch, dass die ePA nicht unbedingt die komplette Krankheitsgeschichte widerspiegeln muss. Patient:innen können nämlich selbst bestimmen, welche Daten und Informationen in der ePA erfasst werden sollen und welche nicht.
Herunterladen von relevanten Daten
Für Ihre eigene Dokumentation können Sie die für Ihre Behandlung relevanten Daten aus der ePA in Ihr Praxissystem herunterladen und dort in der jeweiligen primären Patientenakte speichern.
So haben Sie selbst alle für die Behandlung notwendigen Daten parat, auch wenn sich die Patientin oder der Patient für die Löschung der Daten in seiner ePA entscheidet.
Ihre Praxissoftware ist das Primärsystem zur Dokumentation
Stellen Sie selbst einen Befund oder eine Diagnose aus, erfassen Sie diese wie bisher auch in Ihrer Praxissoftware. Die dort angelegten Dokumente sind die „Originale“, die bei Ihnen in der Praxis verwahrt werden.
Von dort laden Sie die Dokumente, Röntgenbilder, Rezepte, etc. in die ePA Ihrer Patientin oder Ihres Patienten. Das Löschen von Daten aus der ePA ist nur mit Zustimmung möglich.
Keine Verpflichtung zum Lesen der gesamten ePA
Sie sind nicht dazu verpflichtet, sich sämtliche in der ePA vorhandenen Dokumente anzuschauen.
Fragen Sie Ihre Patient:innen deshalb gezielt nach eventuellen früheren Befunden oder Vorerkrankungen, damit Sie im Rahmen der Anamnese gezielt nach den relevanten Informationen in der ePA suchen können.
Möchten Sie erfahren, wie jameda Ihre Arztpraxis beim Schritt in die digitale Welt und bei der Nutzung der ePA unterstützen kann?
Patient:innen und Ärzt:innen auf digitalem Wege einfach, schnell und passgenau zu verbinden, ist das Ziel von jameda. Um Ärzt:innen auf diesem Weg bestmöglich zu unterstützen, bereitet das jameda Redaktionsteam auf dem jameda Blog relevante Informationen rund um die digitale Arzt-Patienten-Beziehung auf.