May 23, 2023

Die Zukunft der Zahnheilkunde: ein Experteninterview

Titelbild des jameda Blogposts zum Thema „Die Zukunft der Zahnheilkunde"Wie sich die Zahnheilkunde im Zeitalter der Digitalisierung verändern wird.

Die Digitalisierung schreitet im Medizinbereich rasant voran – auch in der Zahnmedizin haben sich in den letzten Jahren viele spannende Neuerungen ergeben.

Wir haben deshalb mit Dr. med. dent. Markus F.O. Lentrodt gesprochen, einem leidenschaftlichen Zahnmediziner und Befürworter der Digitalisierung.

Im Interview verrät er uns, wohin die Reise in der Zahlheilkunde in den nächsten Jahren gehen wird. 

Das Experteninterview mit Dr. med. dent. Markus F.O. Lentrodt

Grundlegendes zu unserem Interviewpartner

Portraitfoto von Dr. Markus-Lentrodt.jpgDr. med. dent. Markus F.O. Lentrodt ist Zahnmediziner mit über 20 Jahren Erfahrung. Er hat sein Studium der Zahnheilkunde an der Charité Berlin abgeschlossen.

Nach verschiedenen Stationen übernahm er schließlich die privatzahnärztliche Gemeinschaftspraxis „LENTRODT | die zahnärzte“ seiner Vorfahren als eine der ältesten Praxen in Deutschland in der vierten Generation.

Wie die Zukunft der Zahnmedizin aussehen könnte

Guten Tag, Dr. Lentrodt. Schön, dass Sie Zeit für uns haben. Wie sehen Sie angesichts des rasanten technischen Fortschritts die Zukunft der Zahnmedizin?

Dr. Lentrodt: Die Zukunft der Zahnmedizin ist sehr spannend, denn die Technologie spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Patientenversorgung.

Zu den vielversprechendsten Fortschritten gehören neben der digitalen Zahnmedizin und Implantologie auch zum Beispiel Laserbehandlungen und die Nutzung Roboter-gestützter Therapien bei chirurgischen Eingriffen.

Können Sie uns erklären, was digitale Zahnmedizin und Implantologie genau umfassen?

Dr. Lentrodt: In der digitalen Zahnmedizin kommen sowohl Hard- als auch Software zum Einsatz.

Per hochauflösender Kamera und Blick auf den Bildschirm, anstatt direkt in den Mund der zu behandelnden Person zu agieren, können Zahnärzt:innen Probleme teils so besser erkennen – seien es kleine Löcher, minimale Fehlstellungen, die in einigen Jahren zu Problemen führen können oder ungleichmäßiger Zahnabrieb.

Eine Software wertet die gesammelten Bilddaten noch zusätzlich aus und zeigt Probleme sowie Lösungsvorschläge auf.

Welche Bedeutung die Digitalisierung für die Implantologie haben wird

Wie hilft die Digitalisierung im Bereich Implantologie?

Dr. Lentrodt: Dort kommen CAD- und CAM-Verfahren zum Einsatz – also computergestütztes Design und computergestützte Fertigung. Diese Technologie macht herkömmliche Abdruckmaterialien und eine unangenehme Abdrucknahme teilweise überflüssig. 

Stattdessen werden digitale Abdrücke mit einem 3D-Scanner genommen, der ein präzises Bild der Zähne und des Zahnfleisches macht. Basierend darauf erstellt eine Softwareschablonen für Zahnersatz, Kronen, Brücken oder Implantate und sendet diese dann digital an ein zahntechnisches Labor. 

Dort fräst eine 3D-CAM-Maschine den benötigten Zahnersatz nach Schablone innerhalb von Minuten, sodass zwischen zwei Behandlungen nur wenig Zeit vergeht und die Patient:innen nicht so lange mit Provisorien oder Schmerztabletten vorliebnehmen müssen.

Wie die Laserzahnmedizin als Zukunftsmodell fungieren kann

Das klingt wirklich spannend. Sie sprachen auch von Laserbehandlungen. Können Sie uns erklären, welche Behandlungen man damit durchführen kann?

Dr. Lentrodt: Bei der Laserzahnheilkunde werden Hochleistungslaser zur Behandlung einer Vielzahl von Zahnproblemen eingesetzt, zum Beispiel bei Karies, Zahnfleischerkrankungen und Zahnaufhellungen. 

Die Lasertechnologie ist präziser als herkömmliche zahnmedizinische Instrumente und ermöglicht es uns Mediziner:innen, bestimmte Bereiche des Mundes zu behandeln, ohne das umliegende Gewebe zu beschädigen.

Die Laserzahnmedizin ist auch weniger invasiv und erfordert weniger Ausfallzeiten als herkömmliche zahnmedizinische Verfahren. Die Patient:innen haben während und nach der Behandlung weniger Schmerzen und Beschwerden, und die Heilungszeiten sind oft kürzer.

Wie Robotik die Zahnmedizin verändern wird

Das sind wirklich sehr viele Vorteile. Was ist mit Robotik in der Zahnmedizin? Müssen Sie bald um Ihren Job fürchten?

Dr. Lentrodt (lacht): Nein, das nicht. Da mache ich mir keine Sorgen. Die Robotik ist von allen diesen Technologien noch jene, die erst am Anfang ihrer Entwicklung steht. Bisher gibt es nur einzelne Prototypen zu Forschungszwecken. Ich bin mir jedoch sicher, dass die Robotik in naher bis mittlerer Zukunft breitflächig Einzug in die Zahnarztpraxen halten wird.

Welche Aufgaben übernimmt so ein Roboter?

Dr. Lentrodt: Roboterarme können Zahnärztinnen und Zahnärzte bei chirurgischen Eingriffen unterstützen, zum Beispiel beim Füllen von Löchern und beim Setzen von Implantaten.

Der Roboterarm führt die Hand des oder der Behandelnden, sodass viel präzisere Bewegungen möglich sind und die Behandlung optimal durchgeführt wird. Der Roboter ersetzt also nicht die Behandelnden, sondern assistiert  lediglich vorerst. 

Da ist es trotzdem ein kleiner Schritt zum selbstoperierenden Roboter, oder nicht?

Dr. Lentrodt: In der Tat wurde schon im Jahr 2017 in China eine Zahnoperation komplett von einem Roboter durchgeführt. Zwar unter Aufsicht, aber das Ergebnis war erstaunlich.

Die zwei Implantate, die der Roboter gesetzt hat, waren so präzise platziert, wie es eine menschliche Hand nicht besser hätte machen können – vor allem in kurzer Zeit.

Eine gute Nachricht für Patient:innen, wenn man nicht mehr so lange auf dem gefürchteten Stuhl sitzen muss.

Dr. Lentrodt: Absolut. Roboter sind nicht nur hochpräzise, sondern auch effizient. Das bedeutet, dass in kürzerer Zeit mehr Patient:innen behandelt werden können, was auch langfristig die Effizienz einer Praxis steigert.

Welche Bedeutung die Digitalisierung für das Praxismanagement haben wird

Wir alle wissen ja, dass die Digitalisierung die Effizienz fördern soll, nicht nur bei den Behandlungen an sich, sondern auch im Praxismanagement. Sehen Sie auch dort technologische Neuheiten, die dabei helfen, die Praxisabläufe effizienter zu gestalten?

Dr. Lentrodt: Ja, auf jeden Fall. Bestes Beispiel ist die Telemedizin – ein Schlagwort, das in den letzten Jahren immer häufiger genutzt wurde und in naher Zukunft in vielen Arzt- und Zahnarztpraxen zum Einsatz kommen wird.

Wie genau läuft das dann ab?

Dr. Lentrodt: Telemedizin bedeutet, dass die Patient:innen nicht direkt mit dem Arzt oder der Ärztin in einem Raum sitzen, sondern die Behandlung, Diagnose oder Beratung aus der Ferne durchgeführt wird, zum Beispiel per Videotelefonie. Das ist natürlich nicht bei allen Krankheitsbildern möglich, aber für eine erste Konsultation oftmals ausreichend.

Der Vorteil ist, dass vor allem Patient:innen aus ländlichen oder unterversorgten Regionen unkompliziert Hilfe erhalten können. Im zahnmedizinischen Bereich kann man routinehafte Nachsorgen online abhalten, wenn es beispielsweise um die Anpassung von Medikamentenplänen geht. Patient:innen sparen sich so die Fahrt zur Praxis.

Ab 2024 soll die digitale Patientenakte für alle gesetzlich Versicherten eingeführt werden, sofern diese nicht widersprechen. Bringt diese auch in Zahnarztpraxen Vorteile?

Dr. Lentrodt: Auf jeden Fall. Gerade in der heutigen Zeit, wo Menschen häufiger den Wohnort wechseln und dadurch auch ihre medizinischen Versorgungseinrichtungen, ist die elektronische Patientenakte sehr sinnvoll.

Wir Mediziner:innen können uns dann schnell einen Überblick über die vergangene Krankengeschichte der Patient:innen machen. Dadurch lässt sich die Behandlung besser an deren Bedürfnisse anpassen und Diagnosen können leichter gestellt werden.

Warum eine erfolgreiche Digitalisierung der eigenen Praxis künftig noch wichtiger werden wird

Was empfehlen Sie Ihren Kolleg:innen in Bezug auf die Digitalisierung ihrer Zahnarztpraxis?

Dr. Lentrodt: Langfristig denken. Manche Kolleg:innen lehnen die Digitalisierung nur deshalb ab, weil sie hohe Anfangsinvestitionen und zusätzlichen Aufwand bei der Einführung sehen. Dass sich diese Investitionen und der Aufwand aber relativ schnell rechnen, weil sie den Praxisumsatz und die Effizienz steigern, wird dabei  oft leider nicht gesehen. 

Ich habe kürzlich einen Bericht über eine Umfrage unter Arztpraxen gelesen. Mittlerweile bietet ein Drittel der Praxen Online-Terminbuchungen an. Das ist schon mal ein sehr guter Anfang. 

Wenn wir aber unseren Patient:innen wirklich einen hohen Mehrwert bieten wollen, reicht das noch nicht aus. Die sukzessive Digitalisierung des Praxismanagements, der Dienstleistungen und Behandlungsmethoden ist etwas, worüber sich jede Kollegin und jeder Kollege Gedanken machen muss, sofern sie nicht in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand gehen.

Vielen Dank für diese wertvollen Informationen und Ein- und Ausblicke in die Zukunft der Zahnmedizin.

Dr. Lentrodt: Sehr gerne.

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