"Die privaten Honorare müssten mehr als doppelt so hoch sein!"

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Dr. Sven Dannemann, Inhaber einer Münchener MKG-Praxis, möchte Ärzt:innen und Zahnärzt:innen im Ringen um eine faire Vergütung und ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem vereinen. Dafür klagt er auf eine Inflationsanpassung von GOÄ und GOZ.

jameda: Hallo Herr Dr. Dannemann, letztes Jahr gab es bundesweit über 20 vom Virchowbund initiierte Demonstrationen. Die Proteste niedergelassener Ärzt:innen richteten sich dabei vor allem gegen feste Budgetgrenzen und finanzielle Engpässe angesichts gestiegener Energiekosten und Inflation.

Als Inhaber einer eigenen Praxis für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in München wählen Sie einen anderen Weg des Widerstands und wollen beim Bundesverwaltungsgericht zur Inflations-Anpassung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) sowie der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Klage einreichen. 

Dr. Sven Dannemann: Ja, genau - und zwar sofort.

jameda: Werden GOÄ und GOZ denn nicht immer wieder an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angepasst?

Dr. Sven Dannemann: Seit 36 Jahren nachweislich überhaupt nicht. Das sind 36 Jahre, in denen wir eine Inflation von insgesamt 110 % erlebt haben. Das bedeutet, dass die privaten Honorare mehr als doppelt so hoch sein müssten wie aktuell.

In den letzten zehn Jahren hat sich allein der Mindestlohn unserer Mitarbeiter verdoppelt.

jameda: Wieso zielen Sie denn nur auf die privaten Abrechnungsziffern ab, müsste sich denn bei der gesetzlichen Abrechnung nicht auch etwas tun?

Dr. Sven Dannemann: Das ist sehr richtig, macht das Ganze aber auch gleich sehr politisch. Deswegen fordere ich auch keine Novellierung von GOÄ und GOZ, sondern ganz einfach die Anhebung der Punktwerte um 110 %, eine ganz simple Anpassung an die Inflation der letzten 36 Jahre.

jameda: Warum wollen Sie hierfür eine Klage einreichen? Wäre nicht auch eine Petition, eine Demonstration oder ein Streik zielführend?

Dr. Sven Dannemann: Ich finde, dass hierfür die Ärzte und Zahnärzte in Deutschland gar nichts tun müssten. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Punktwerte regelmäßig an die Inflation angepasst werden.

Auch ist nicht zu vergessen, dass unser Gemeinwesen von den höhreren Steuereinnahmen erheblich profitieren würde. Hier scheint etwas im Getriebe unseres Rechtsstaats zu haken. Daher halte ich eine juristische Prüfung für den richtigen Weg.

jameda: Wieso muss diese Klage unbedingt beim Verwaltungsgericht eingereicht werden?

Dr. Sven Dannemann: Ich bin nur Mediziner, bei juristischen Fragen verlasse ich mich gern auf Spezialisten.

jameda: Und was sagen die Spezialisten, und wer sind die?

Dr. Sven Dannemann: Die Spezialisten sind Herr Professor Schlegel und sein Team aus der Kanzlei für Gesundheitsrecht in Frankfurt.

Diese haben alle Klagemöglichkeiten für mich geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die vielversprechendste Klage eine atypische Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht ist.*

jameda: Eine atypische Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht, das klingt kompliziert.

Dr. Sven Dannemann: Es ist weniger kompliziert, als Sie denken. Es geht hier um das Vorliegen einer Ungleichbehandlung:

Andere Gebührenordnungen freier Berufe wurden wegen angestiegener wirtschaftlicher Kosten angehoben, so zum Beispiel die Gebührenordnung der Tierärzte (GOT) um insgesamt 130% in den letzten 36 Jahren, oder auch mehrfach die der Rechtsanwälte (RVG).

jameda: Was stimmt Sie zuversichtlich, den Gerichtsprozess zu gewinnen?

Dr. Sven Dannemann: Ich kann mich voll- und ganz auf die juristische Expertise von Herrn Professor Schlegel verlassen. Dieser wurde mir vom Chef der Kanzlei Heussen in München, Herrn Hamm, empfohlen, mit dem ich einen Mietrechtsprozess vor dem Bundesgerichtshof gewonnen habe.

jameda: Dann sind Sie ja streiterprobt! Nach dem Sieg beim Bundesgerichtshof also nun auf zum Bundesverwaltungsgericht. Wie kann man Sie in Ihrem Vorhaben noch unterstützen?

Dr. Sven Dannemann: Hauptsächlich finanziell, das ganze wird sicher sehr kostspielig!

Auf meiner Webseite www.MedizinerVereint.de kann man mich und mein Vorhaben sehr einfach mit PayPal oder über IBAN unterstützen.

jameda: Ausgezeichnet! Wir werden Ihren Aufruf an Ihre Kolleginnen und Kollegen weiterleiten.

Sie wenden sich also an alle Ärzt:innen und Zahnärzt:innen - aber nicht nur explizit an die niedergelassenen, sondern auch an die in der Klinik tätigen. Wieso das? Klinik-Ärzt:innen haben doch ein Festgehalt.

Dr. Sven Dannemann: Beide Berufsgruppen leiden heute unter immensem Verwaltungsaufwand.

Mit einer besseren Vergütung wären wir Ärztinnen und Ärzte dazu in der Lage, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen zu bezahlen, was die Ergreifung dieser angesehenen Berufe als ZFA und MFA durch eine höhere finanzielle Wertschätzung wieder für mehr Menschen attraktiv macht. 

Wir hätten dann mehr motivierte und qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns zuarbeiten und Zeit haben, den immensen Verwaltungsaufwand zu stemmen.

Das gilt genauso für die Kliniken.

jameda: Noch eine kurze Frage zum Abschluss: Was treibt Sie an? 

Dr. Sven Dannemann: Ich mache mir beständig Gedanken und immer weniger Hoffnungen über die Zukunft unseres Gesundheitssystems, z.B. ob ich selber im hohen Alter noch eine Kollegin oder einen Kollegen antreffe, der sich die nötige Zeit nimmt, um meine Leiden zu lindern.

Die Lösungsideen gehen weit auseinander und hängen selbstverständlich stark vom persönlichen Standpunkt ab. Politisch wurde hier in den letzten 50 Jahren keine Lösung für uns gefunden. Stattdessen werden wir in verschiedenen Gruppen gegeneinander aufgebracht.

Die harte Arbeit unserer Vertretungen wird politisch zerrieben und Entscheidungen von einer Legislaturperiode in die nächste weitergereicht. 

Um etwas zu erreichen, müssen wir uns mit dem kleinstmöglichen Nenner vereinen und den Hebel bedienen, den wir als kleine akademische Gruppe erreichen können:

Dieser Hebel ist die Anpassung der Punktwerte von GOÄ und GOZ an die Inflation.

jameda: Danke für das Gespräch, Herr Dr. Dannemann. Für die Leser:innen dieses Beitrags dürfte es sich lohnen, Ihr Vorhaben über die Website http://www.MedizinerVereint.de zu unterstützen. 

Dr. Sven Dannemann: Herzlichen Dank Ihnen auch.

* Lesen Sie die Stellungnahme der Kanzlei als pdf auf unserer Internetseite www.MedizinerVereint.de