"Die Gebührenordnung ist nicht tragbar, um wirtschaftlich zu arbeiten"

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Davor Antunovic aus Esslingen spricht im Interview über die Herausforderungen in seiner Arbeit als Heilpraktiker, die Zusammenarbeit mit Ärzt:innen sowie die veraltete Gebührenordnung und was er sich für die Zukunft als Heilpraktiker wünscht.

jameda: Welche spezifischen Herausforderungen haben Sie als Heilpraktiker:in in Ihrer beruflichen Laufbahn erlebt?

Antunovic: Als psychotherapeutischer Heilpraktiker steht man natürlich vor der Herausforderung, viele Faktoren mitzuberücksichtigen: das soziale System des Patienten, seine Allgemeingesundheit, den Hormonstatus (Neuroendokrinologie) und die Beziehungen und Erfahrungen, die die Krankheit mit beeinflussen. Ich arbeite jetzt seit mittlerweile 20 Jahren in eigener Praxis. Hinterher ist man bekanntlich immer weiser und viele Fehler würden mir heute nicht mehr passieren. Mir ist es immer wichtig eine gute Anamnese, eine gute Diagnostik und Differentialdiagnostik zu erheben und meinem Patienten eine Perspektive aufzuzeigen, was möglich ist.

jameda: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Personen aus anderen Gesundheitsberufen wie Ärzt:innen?

Antunovic: Es ist absolut wichtig ein gutes Netzwerk zu haben. Da ich außer meiner Heilpraktikerausbildung noch Psychologie studiert habe und eine Zeit lang Medizin, verstehe ich die unterschiedlichen Lager (Schulmedizin vs. Naturheilkundliche, alternative Ansätze). Diese Spaltung ist absolut künstlich und nützt niemandem. Diese Lagerbildung fördert nur das Misstrauen in unser Gesundheitssystem. Ich habe ein gutes Netzwerk mit Neurologen, Psychiatern, Urologen, Gynäkologen und Internisten, zu denen ich weiterverweisen kann. Mit Freundlichkeit und Professionalität habe ich bisher immer offene Türen vorgefunden.  

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jameda: Welche rechtlichen Herausforderungen begegnen Heilpraktiker:innen heutzutage?

Antunovic: Ich habe 18 Jahre Heilpraktiker für Psychotherapie unterrichtet, unter anderem auch in Rechtskunde. Die Anzahl der Anwärter, die die Überprüfung beim Gesundheitsamt letztendlich angetreten ist, ist erschreckend gering, die Durchfallquote hoch. Bei den Nachbesprechungen mit den nicht bestandenen Prüflingen, war es immer feststellbar, dass massive Fehler nachweisbar waren. Ein Heilpraktiker sollte, wie jeder andere Mediziner auch, einen hohen Anspruch an seine Fähigkeiten und sein Wissen haben. Dazu gehört es zu erkennen, bei was man an seine Grenzen stößt, die Aufklärungspflicht einzuhalten und selbstverständlich keine Heilversprechen zu geben.

jameda: Welche Veränderungen würden Sie sich wünschen, um die Arbeit als Heilpraktiker:in zu verbessern?

Antunovic: Zum einen brauchen wir eine dringende Angleichung der Gebührenordnung der Heilpraktiker. Diese wurde 1985 verabschiedet und seitdem nicht mehr offiziell geändert. Die wirtschaftlichen und medizinischen Rahmenbedingungen haben sich jedoch weiterentwickelt. Die Gebührenordnung ist nicht mehr tragbar, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Zum anderen sollte es eine strengere Kontrolle von Menschen geben, die eben kein Arzt oder Heilpraktiker sind und medizinische Leistungen in einer Grauzone anbieten. Der Grundsatz: “Wer heilt hat Recht“ klappt nur solange, bis jemand eben einen Schaden davonträgt. Wer gewissenhaft arbeiten möchte, sollte sich auch der Überprüfung vom Gesundheitsamt stellen. Weiter wäre mehr Kulanz der Krankenkassen erwünscht bezüglich der Bezahlung der Therapien. Aber das ist noch ein sehr langer Weg und die einzige Möglichkeit, diesen überhaupt anzugehen, ist es, qualitativ zu arbeiten.

jameda: Welche Ratschläge würden Sie jungen Menschen geben, die eine Karriere als Heilpraktiker:in in Betracht ziehen?

Antunovic: Es ist wichtig, seine Praxis von Anfang an als Unternehmen zu sehen. Man braucht auch Fähigkeiten aus dem Kaufmännischen, aus dem Marketing und eine gute strategische Entwicklung der Praxis. Da es gesetzlich nicht erlaubt ist, Empfehlungen von Patienten auf der eigenen Internetpräsenz zu haben, ist es wichtig, mit unabhängigen Bewertungsplattformen zu kooperieren. jameda.de ist, was Medizin und Psychotherapie angeht, ein Paradebeispiel. Die Plattform ermöglicht dem Mediziner oder Therapeuten zwar ein Profil zu erstellen und seine Arbeit publik zu machen, dennoch sind die Bewertungen seitens des Anbieters nicht modifizierbar und bleiben anonym. Das schafft einen Vertrauensvorschuss bei den Interessierten. Es ist ohnehin schwer, den ersten Schritt zu machen und eine Psychotherapie aufzusuchen. Vielen Patienten fällt es leichter, sich einen ersten Eindruck zu machen, wenn der Patient im Vorfeld Bewertungen durchlesen kann, die eben nicht gefälscht wurden, und authentisch sind, weil die Patienten sich anonym mitteilen können. Den letzten Tipp den ich gerne geben würde ist folgender: Machen Sie Ihre Arbeit mit Liebe und Begeisterung. Es ist eine persönliche Berufung, als Heilpraktiker arbeiten zu können. Je besser sie ausgebildet sind, je flexibler ihre Methodik, je besser Sie zuhören, umso mehr werden Sie Menschen echte Lebensqualität zurückgeben können. Auch nach 20 Jahren Arbeit ist es für mich keine Selbstverständlichkeit, die mich kalt lässt, wenn ich jemandem geholfen habe, sondern ich freue mich jedes Mal aufrichtig wie ein kleiner Junge, der ein Geburtstagsgeschenk bekommen hat.

Bildnachweis: Davor Antunovic